19.05.2022  Forschung

Rote Linien bei Forschungskooperationen mit China (Pressemitteilung)

Zur Veröffentlichung der internationalen Recherche „China Science Investigation“ erklären Kai Gehring, Mitglied des deutschen Bundestages, und Jürgen Trittin, Sprecher für Außenpolitik:

Als Menschheit stehen wir vor gewaltigen Herausforderungen wie Klimakrise und Artensterben, die sich international nur gemeinsam und mit China an Bord bewältigen lassen. Darum ist es sinnvoll, wissenschaftlich mit China zu kooperieren und Kanäle des Austauschs offenzuhalten, dabei aber zugleich  vorsichtig und reflektiert zu agieren, um deutsche und europäische technologische Souveränität zu schützen und unseren Wertekompass zu verteidigen. China ist für uns Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale, dieser Dreiklang prägt unsere Chinapolitik. Nicht zuletzt stehen wir mit China in einem Innovationswettbewerb und wissen, dass vielfältige liberale Demokratien mit freier Meinungsäußerung und garantierter Wissenschaftsfreiheit wie Deutschland kreativer, krisenfester und erfolgreicher sind.

Die Sensibilität im Umgang mit chinesischen Kooperationen ist in den letzten Jahren hierzulande gewachsen, das Verantwortungs- und Problembewusstsein gerade im Dual-Use-Bereich wird infolge der Recherchen der „China Science Investigation“ nachgeschärft werden müssen. Denn Chinas offensive Militärpolitik – insbesondere gegenüber seinen Nachbarn im südchinesischen Meer – ist allen bekannt und dies macht manche Kooperationen im Sicherheits- und Forschungsbereich unmöglich. Forschende aus dem Umfeld der chinesischen Armee verwischen immer wieder ganz gezielt die Grenzen zwischen Zivilem und Militärischem und verschleiern ihre Identität hinter Tarnnamen von Universitäten und Forschungseinrichtungen. Um dem einen wirksamen Riegel vorzuschieben, braucht es hierzulande ein stärkeres Problembewusstsein, mehr Transparenz und einen weiteren Ausbau der China-Kompetenzen in der Wissenschaft.

Die grundgesetzlich garantierte Wissenschaftsfreiheit entbindet nicht von Verantwortung – sondern verpflichtet die deutsche Wissenschaft, mit dieser Freiheit besonders verantwortungsvoll umzugehen. Zentrale rote Linien gibt unser Grundgesetz vor: Die Achtung der Menschen- und Freiheitsrechte sowie der Wissenschaftsfreiheit bilden unseren Wertekompass. Eine wertebasierte Außen- und Sicherheitspolitik ist erklärtes Ziel unserer grünen Außenministerin. Derzeit wird an einer neuen China-Strategie der Bundesregierung gearbeitet. Auch Fragen von Forschungs-,  Technologie- und Außenwissenschaftspolitik werden dabei eine wichtige Rolle spielen müssen.

Chinesische Interessen in deutsch-chinesischen Forschungskooperationen liegen oft in Bereichen, die auch mit anderen autokratischen Staaten zu Schwierigkeiten führen, wie Datenschutz, Eigentumsrechte, Cyber-Sicherheit und digitale Souveränität. Deutsches Interesse ist, sich bei Schlüsseltechnologien und wissenschaftlicher Erkenntnis weiter in der Spitzenliga der Innovationsländer zu behaupten und sich dabei vor Knowhow-Spionage und unfairen Kooperationen genauso zu schützen wie vor Repressalien gegen die Freiheit von Wissenschaftler*innen. Weder Blockbildung noch Blauäugigkeit sind Rezepte für globale Wissenschaftskooperationen.