07.04.2021  Allgemein

Menschenrechtliche Verantwortung fängt im eigenen Land an

Zum Jahresbericht von Amnesty International erklären Margarete Bause, Sprecherin für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, und Kai Gehring, Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe:

Die düstere Jahresbilanz von Amnesty International sollte ein Weckruf an die Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft sein: Nur mit gemeinsamen globalen Anstrengungen und internationaler Solidarität werden wir den Weg aus der Corona-Krise finden.

Corona hat die Lage der Menschenrechte und die ihrer Verteidiger:innen weltweit nochmals verschärft. Autoritäre Regime gehen im Windschatten der Pandemie noch brutaler gegen die Zivilgesellschaft, Minderheiten oder Andersdenkende vor. Wer es bisher schon schwer hatte, öffentlich gegen Despoten und ihre Willkür zu demonstrieren, wird jetzt unter dem zynischen Vorwand des Gesundheitsschutzes noch unerbittlicher verfolgt und weggesperrt. Beispiele dafür erleben wir aktuell in Belarus, Russland oder in Uganda.

Der Amnesty-Bericht listet auch viele Defizite in Deutschland auf, die uns beunruhigen und zum Handeln auffordern müssen: die Zunahme von Hasskriminalität und rechtsextremistischer Drohkampagnen; der viel zu geringe Anteil deutscher Unternehmen, die ihren internationalen menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nachkommen oder die nach wie vor unverantwortliche hohe Zahl deutscher Rüstungsexporte in Krisen- und Konfliktregionen.

Während des Lockdowns nahm auch in Deutschland Gewalt gegen Frauen massiv zu. Staatliche Stellen ergreifen keine ausreichenden Maßnahmen, um diese Verbrechen zu verhindern. Gewaltverbrechen, die aus Frauenhass begangen werden, müssen endlich systematisch als Hassverbrechen erfasst werden. Wir fordern die konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention. Jede Frau muss einen Rechtsanspruch auf umfassenden Schutz vor häuslicher und geschlechterspezifischer Gewalt und Zugang zu Hilfsangeboten haben. Auch der Umgang mit besonders schutzwürdigen Gruppen, wie Familien mit Kindern oder alleinstehenden Frauen in den sogenannten Anker-Zentren, ist nicht menschenwürdig und gehört beendet. Nur wer im eigenen Land menschenrechtliche Verantwortung ernstnimmt, kann diese glaubwür dig bei anderen einfordern.