26.06.2017  Bildung

Bildungstrichter: BMBF kegelt Grafik zur sozialen Schieflage aus der Sozialerhebung

„Von 100 Akademikerkindern studieren 77, von 100 Nicht-Akademikerkindern lediglich 23. Das dokumentiert der sogenannte „Bildungstrichter“, die wohl bekannteste Grafik aus der „Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks“ (DSW). Seine Bekanntheit als Beleg für soziale Schieflagen wurde dem Bildungstrichter offenbar zum Verhängnis, denn er wurde aus der neuen Sozialerhebung herausgekegelt. Der Eindruck, das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) steckt hinter dieser Entscheidung, lässt sich nicht von der Hand weisen. Denn die soziale Spaltung beim Zugang zum Studium dürfte weiter hartnäckig hochproblematisch sein, da die Koalition das BAföG vernachlässigt hat. Die Novelle der Großen Koalition ist der größte BAföG-Bluff der Geschichte, denn die Studienfinanzierung ist heute weniger wert als 2010. So ist es nicht verwunderlich, dass das BMBF als Finanzier der Sozialerhebung Angst vor schlechten Zahlen im Wahljahr hat. Anstatt den eklatanten Zusammenhang von Bildungschancen und sozialer Herkunft unter den Teppich zu kehren, müssen Bund und Länder diesen sichtbar machen und systematisch auflösen. Chancen für alle und jedes Talent optimal zu fördern, das müssen endlich wesentliche Ziele der Hochschulpolitik der Bundesregierung werden.“

Hintergründe zum Sachverhalt

Haben die Eltern studiert, werden die eigenen Kinder mit hoher Wahrscheinlichkeit auch studieren. Studierende aus Familien, in denen die Eltern nicht studiert haben, sind dagegen deutlich seltener zu finden. Das ist ein weltweites Phänomen, aber in Deutschland ist der Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungschancen besonders eng.

Die eingängigste Grafik für diesen Zusammenhang ist der sogenannte Bildungstrichter, der im Rahmen der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks veröffentlicht wird. Die Bildungstrichter-Berechnungen sind zwar untereinander nicht vergleichbar, sie sind aber für die Öffentlichkeit und die Wissenschaft eine wichtige und vor allem eingängige Momentaufnahme zum Umfang der sozialen Schieflage beim Hochschulzugang und werden stark beachtet und wahrgenommen.

Die Daten für den Bildungstrichter werden von DZHW/HIS erhoben und wurden stets im Rahmen der Sozialerhebung veröffentlicht (erstmals vor 20 Jahren im Rahmen des 15. Berichts). Die Idee für den Bildungstrichter kam von der Wissenschaft selbst. Immer wieder gab es (vergebliche) Angriffe auf den Bildungstrichter, um ihn abzuschaffen oder das Thema in den Bildungsbericht aufzunehmen.

Diese Angriffe haben nun Erfolg gehabt. Der Bildungstrichter wird nicht im Rahmen der 21. Sozialerhebung veröffentlicht. Er soll frühestens zum Jahreswechsel 2017/2018 als eigenständige Publikation erscheinen.

Obwohl der Bund viel Geld für die Bildungsforschung in die Hand nimmt, gibt es kaum unabhängige Grundlagenforschung, sondern viel Auftragsforschung. In Wissenschaftskreisen und auch in Teilen der Öffentlichkeit wird das sehr kritisch gesehen. Manfred Prenzel hat schon gemahnt, Bildungsforscher dürften sich nicht zur verlängerten Werkbank ihrer Auftraggeber machen lassen.